Es ist ein wunderschöner Spätsommertag in Warschau. Am Verfassungsgericht, direkt neben dem Denkmal zum Gedenken an den Warschauer Aufstand, hängt ein riesiges Plakat „konstytucja“. Polen wehrt sich – wieder einmal. Es gilt, die eben nicht selbstverständlichen Grundrechte einer liberalen und offenen Gesellschaft gegen ihre Feinde zu verteidigen.
Und es sind durchaus Perspektiven denkbar, aus denen der Einsatz für Mediation Teil dieser Verteidigung der offenen Gesellschaft ist. Ich bin jedenfalls dankbar für die Einladung des polnischen Arbeitgeberverbandes Lewiatan. Dieser unterhält ein eigenes Mediationszentrum. Man hat mich gebeten, nach Warschau zu kommen, um über den Stand und die Entwicklung der Mediation in Deutschland zu sprechen.
Lange Beziehungen der MAB zu Polen
Traditionell sind die Verbindungen zwischen deutschen und polnischen Mediatoren recht eng. Anfang der 00er Jahre haben wir von der MAB in Kooperation mit der Vereinigung polnischer Richter die ersten Wirtschaftsmediationsausbildungen für polnische Interessenten organisiert und durchgeführt. Heute werden die Ausbildungen in Polen in an renommierten polnischen Universitäten durchgeführt.
Neben der deutsch-französischen Partnerschaft gehört für mich die deutsch-polnische Verständigung nach den Gräueln des letzten Krieges zu den großen Wundern der europäischen Geschichte. Und jede Beziehung braucht kontinuierlichen Dialog auf allen Ebenen. Gerade in Zeiten, in denen sich die politische Ebene schwertut, werden die anderen Kanäle um so wichtiger. Dazu gehören die kulturellen, die wissenschaftlichen ebenso wie die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kommunikationskanäle.
Ich bin also gerne der Einladung gefolgt. Der Verband hat eine Vielzahl von interessanten Gesprächspartnern aus ganz Polen eingeladen. Das Thema Mediation erfährt in unserem Nachbarland eine etwas andere Aufmerksamkeit. Es ist dort sehr stark an die Gerichte geknüpft und Mediationen werden von Richtern an die Mediation verwiesen und dann von externen Mediatoren, die meist Anwälte sind, im Gericht durchgeführt. Ein echter Markt für externe Mediationen existiert in Polen noch weniger als in Deutschland. Anders als in Deutschland sind in Polen die Mediatoren meist auch Anwälte. Andere Professionen scheinen sich bisher nicht auf dieses Feld zu begeben. Die, die Mediation machen, treiben das Thema mit großem Engagement.
In den Diskussionen und Gesprächen auf diesem Fachdialog beeindruckte mich vor allem das große Interesse der Kolleginnen und Kollegen daran, wie Mediation in anderen Ländern implementiert und betrieben wird. Welche Strukturen, rechtlichen Rahmenbedingungen etc. es beispielsweise nicht nur in Deutschland, sondern Italien oder Frankreich gibt.
Ein neuer Ansatz: Mediation schafft den Raum für eine bessere Zukunft
Mit großem Interesse wurde der von mir vorgestellte Ansatz aufgenommen, Mediation nicht nur als Konfliktklärungsverfahren zu verstehen. Vielmehr das „Produkt“ Mediation als Methode zu begreifen, mit dem eine andere Form der Unternehmens- und Wirtschaftsberatung möglich wird. Damit kann die Breite der Mediation und seines Einsatzbereiches skaliert werden. Dies öffnet somit neue Möglichkeiten für Mediatorinnen und Mediatoren. In einer Zeit, die durch Komplexität und Ambiguitäten gekennzeichnet ist, und die sich gleichzeitig durch eine hohe Dynamik auszeichnet, ist der Ansatz der Mediation wie kein anderer geeignet, Entscheidungsfindungsprozesse so zu gestalten, dass dadurch die Möglichkeiten für eine bessere Zukunft gefördert werden. Dieser Ansatz stieß auf großes Interesse und wurde dann auch während der Abendveranstaltung, zu der der Verband eingeladen hatte, intensiv diskutiert.
Thomas R. Henschel